Wie der Herausgeber
antirassistische interkulturelle Bildung und Erziehung
sieht


Manfred Huth
In: Manfred Huth (Hg.): Lehren und Lernen - interkulturell /antirassistisch. Das schnelle AOL-Nachschlagewerk.
Hits für den Unterricht, Band 5. Lichtenau / Baltmannsweiler: AOL-Verlag / Schneider Verlag Hohengehren 1997, S. 10-38.

...
Erst müssen wir uns verändern - weiße deutsche LehrerInnen und bunte multikulturelle SchülerInnenschaft
Wie sieht es eigentlich in unseren eigenen Köpfen aus? Ist die dringend notwendige Veränderung von Curricula und Lehrplänen eher ein mittelfristig erreichbares Ziel, gilt es in erster Linie darüber nachzudenken, was wir selbst an uns verändern und welche Verbesserungen wir an unserer Arbeit in den Schulen sowie in unseren Kollegien in Angriff nehmen müssen22:

Daraus folgt: Wir beantragen als Kollegium über die LehrerInnenfortbildung ein schulinternes Projektseminar über antirassistische Bildung und Erziehung, interkulturelles Unterricht und vor allem ein antirassistisches Sensibilisierungstraining.

Aufgaben der staatlichen LehrerInnenfortbildung

Antirassistische Curricula und Schullernbücher schaffen!
Curricula und auf ihnen aufbauende Schulbücher verhindern nahezu multikulturellen Unterricht und verstärken geradezu vorhandenes ethnozentristisches und rassistisches Denken und Handeln.

Curricula
Analysen von Lehrplänen und Schulbüchern im Hinblick auf multikulturellen Unterricht in einer multikulturellen Schule für alle sind bislang nicht sehr häufig durchgeführt worden. Auch gibt es wenig konkrete Überlegungen, wie denn z.B. Lehrpläne einzelner Fächer aussehen sollten bzw. was z.B. ein Geschichtsbuch thematisch, sprachlich und an Bild- und Quellenmaterial enthalten soll. Zwar betonen nahezu alle AutorInnen von Büchern zur Interkulturellen Erziehung die Wichtigkeit veränderter Curricula und Schulbücher, geben jedoch nur selten anschauliche und faßbare Hinweise, mit denen sich eine Veränderung realisieren ließe.
Tatsache aber ist, darin stimmen alle Untersuchungen überein: Curricula und Schulbücher berücksichtigen kaum oder gar nicht die Situation der MigrantInnen und Flüchtlinge in der BRD. Sie berücksichtigen bei der Themen-, Text- und Medienauswahl kaum oder gar nicht die reale Situation in den Herkunftsländern.
Eine 1985 in Bayern von Göpfert durchgeführte Untersuchung ergibt, daß in den bayrischen Lehrplänen der Fächer Geschichte, Politik und Religion für die Hauptschule kaum Hinweise enthalten sind, die auf eine durch die multikulturell gewordene Gesellschaft bedingte, veränderte bzw. erweiterte Sichtweise der CurriculummacherInnen schließen lassen. Für den Geschichtsunterricht kommt Göpfert zu folgendem Urteil:
"Ziel des Geschichtsunterrichts ist es hierbei, daß Geschichte Stolz auf die eigne Nation, den eigenen Staat vermittelt, auf seine Leistungen und Kultur. (...) Geschichte und Kultur anderer Staaten wird bei dieser Art von Geschichtsbetrachtung kein eigener Bildungswert zuerkannt."28
Kiper (1985) kommt bei einer Untersuchung von Richtlinien und Lehrplänen für den Sachunterricht zu ähnlichen Ergebnissen29: Bezüge zur Lebenssituation, zur Herkunft von MigrantInnen und zur Migrationsgeschichte sind äußerst selten.
Ursula Neuman (1986) stellt eine Diskrepanz zwischen den Hamburger Richtlinien und den Lehrplänen fest30. Lassen sich in den Richtlinien Vorgaben für interkulturellen Unterricht finden, werden in den Lehrplänen Chemie, Mathematik, Englisch und Kunst migrante SchülerInnen nicht erwähnt.
Im Lehrplan Sport gibt es zumindest Hinweise auf die Anwesenheit migranter SchülerInnen und deren möglicherweise anderen Moralvorstellungen.
Der Lehrplan Arbeitslehre erwähnt migrante SchülerInnen wenigstens: ihnen gegenüber bestehe eine besondere Beratungsverpflichtung. Er weist jedoch nicht hin auf spezielle Orientierungsprobleme wie Heimatorientierung, Familienbindung sowie nicht auf spezielle Rechtfragen wie Arbeitserlaubnis, Aufenthaltsberechtigung,..
Der Lehrplan Hauswirtschaft empfiehlt lediglich das Projektthema "Die türkische Küche", aber der Hinweis in gemischten Klassen grundsätzlich kein Schweinefleisch zu verwenden fehlt.
Der Techniklehrplan ignoriert migrante SchülerInnen völlig.
Der Lehrplan Deutsch empfiehlt "den lebendigen Umgang mit der eigenen Sprache" zu fördern und meint aus ethnozentristischer Perspektive die deutsche Sprache - migrante SchülerInnen gibt es für die LehrplanmacherInnen nicht.
Der Lehrplan Geschichte/Politik bietet zwar Themen an, die interkulturell unterrichtet werden können, berücksichtigt jedoch nicht explizit Berührungspunkte deutscher und z.B. türkischer Geschichte (1.Welkrieg, Osmanisches Reich,..) sowie jüngere Geschichte in den Herkunftsländern und Geschichte der Arbeitsmigration. Bei den Themen "Parteien und Wahlen", "Recht", und "Arbeitsmarkt" wird die rechtliche und politische Situation der MigrantInnen ausgeblendet.
Lediglich der Lehrplan Erdkunde bietet verschiedene Themen, die einen interkulturellen Unterricht ermöglichen.
Daß die Situation sich auch 8 Jahre später nicht entscheidend verändert hat, zeigt die ausführliche Stellungnahme von Annita Kalpaka und Ursula Neumann (1992) zum neuen Hamburger Lehrplan Politik für Gesamtschulen31. Sie kommen nach einer detaillierten Kritik aller im Lehrplan enthaltenen Themen zu dem Schluß, "das sowohl den Autoren als auch den ErproberInnen und Erprobern entgangen zu sein scheint, daß der Lehrplan nicht nur für Kinder deutscher Nationalität geschrieben worden ist."(S.1) "Der Lehrplan bestätigt eine Alltagssprache und ein Alltagsdenken, das pauschalisierend und stereotypisierend ist, auf dem rassistische Bilder basieren. Wir wollen den Autoren nicht Rassismus unterstellen, jedoch auf die Gefahr der Unterstützung rassistischer Grundstrukturen hinweisen: Die bestehen darin, bestimmten Gruppen Eigenschaften zuzuschreiben, die diese aufgrund ihrer herkunft hätten. Sie erscheinen als Resultat ihrer Abstammung, sind also "natürlich" und durch das Individuum nicht veränderbar (Naturalisierung sozialer Prozesse). Die Aufteilung zwischen "Ausländern" und "Deutschen" kann dieses Denken unterstützen, zudem im Lehrplan da, wo es möglich wäre, zwischen den beiden Gruppen zu unterscheiden, nicht unterschieden wird: als juristische oder Statuskategorie, daß "Ausländer" diejenigen sind, für die das Ausländergesetz gilt, und "Deutsche" diejenigen, die durch Abstammung alle Rechte in diesem Land haben, mögen sie z.B. als Aussiedler auch denselben sozialen und sprachlichen Hintergrund haben wie ein polnisches Kind. Da aber wo es sinnvoll wäre auf diese Kategorien einzugehen, schweigt der Lehrplan ...". (S.3)

Schullernbücher
Daß sich die Schulbücher an den Lehrplänen orientieren, ist klar, da die Verlage aus ökonomischen Gründen über die kultusbürokratischen Vorgaben nicht hinausgehen.
Das bestätigen mehrere Untersuchungen32. Einige übereinstimmende Ergebnisse durchgeführter Untersuchungen:

Offen rassistische Lehrmaterialien gibt es zwar auch doch, doch in der Mehrzahl finden sich latente, kulturrassistische Tendenzen, die MigrantInnen rückständig, inhuman und mit Werten und Verhaltensweisen darstellen, die für die Weißen keinen nur geringen Wert haben. Mit dieser Abwertung wird natürlich das Bild weißen Überlegenheit gezeichnet. Schwarze und weiße SchülerInnen sind täglich der (un)heimlichen33 Rassismus-Infiltration ausgesetzt durch den Umgang mit Schulbüchern und Unterrichtsmaterialien in jedem Fach sowie durch den Umgang mit weißen LehrerInnen.

Lesebücher
Eine 1987/88 durchgeführte Untersuchung der in NRW zugelassenen Grundschullesebücher34 ergibt:

Eine neuere Untersuchung 35 von 11 in NRW zugelassenen Lesebüchern weist nach, daß von insgesamt 1895 untersuchten Lesebuchseiten lediglich 63 überhaupt MigrantInnenkinder in irgendeinem - meist handlungsinkompetenten - Zusammenhängen auftauchen.
Das multikulturelle, mehrsprachige Lesebuch, das die multikulturelle Realität der BRD widerspiegelt, das Texte und Bilder für alle SchülerInnen enthält, gibt es auf deutschen kultusbürokratischen Lernbuchlisten nicht.

Erdkundelehrbücher
Obwohl es in den letzten Jahren zu einer Hinwendung der Geographie zu ethnologischen Fragestellungen gekommen ist, obwohl die schlimmsten Rassismen aus den gängigen Büchern eliminiert wurden, obwohl mensch bei neuen Lehrwerken das Bemühen der AutorInnen sieht, Inhalte der Ethnologie in die Schulen zu transportieren in Form von Sensibilisierung für die Spezifika verschiedener Bevölkerungsgruppen, kann aufgrund der rassismusbezogenen Analyse des leider noch immer viel verwendeten Lehrbuches TERRA festgestellt werden:
"Es wird kein manifester, sondern ein latenter Kulturrassismus vertreten, der besonders durch seine indirekte, aber permanente Darlegung an Vorstellung formender Wirksamkeit gewinnt. Dieses Vorstellungsbild setzt sich u.a. aus folgenden Implikaten zusammen: Primitivität, Faulheit und Unfähigkeit, sich selbst zu bestimmen sowie Geschichtslosigkeit eigener Kultur."36

Geschichtslernbücher
Der Geschichtsdidaktiker Borries (1990) urteilt: In Geschichtslernbüchern "geschieht wenig für die Einübung von Fremdverstehen und Toleranz gegenüber anderen Wertsystemen und kulturellen Traditionen"37. Die Geschichte Lateinamerikas z.B. wird reduziert auf die Zeit um 1500, die Zeit davor und danach bleibt außen vor als handele es sich bei den LateinamerikanerInnen um geschichtslose Wesen. Das Erkennen von Zusammenhänge und dialogisches Denken und Lernen wird dadurch geradezu verhindert. Das geschichtliche Selbstverständnis anderer Völker kommt in deutschen Geschichtsbüchern nicht vor. Eine Untersuchung von neueren (1986-1988) Geschichtsbüchern38 über das enthaltene Lateinamerikabild stellt fest:

Wolfgang Höpken konstatiert, daß die schon seit längerer Zeit kritisierte Appendix-Perspektivierung der osmanischen und türkischen Geschichte auch in neueren Geschichtswerken kaum verändert wurde. Osmanische Geschichte sollte nicht länger als Seitenarm deutscher oder habsburger Geschichte erscheinen, sondern als eigenständiges Fakt innerhalb der europäischen Geschichte, ansonsten entstehe in den SchülerInnenköpfen ein "unzulänglich beschränktes Europa-Bild, das seine Randzonen ausklammert"39.
Die Wiederaufstehung des Prototyps des deutschen Herrenmenschen, Carl Peters, als geläuterte "Persönlichkeit" der deutschen Geschichte entdeckt in einem Geschichtsbuch Michael Preuß40.
Hans Göpfert faßt seine noch heute aktuellen Untersuchungen bundesrepublikanischer Geschichtscurricula und Schullernbücher folgendermaßen zusammen:"Geschichte und Kultur anderer Staaten wird bei dieser Art von Geschichtsbetrachtung kein eigener Bildungswert zuerkannt. Sie werden dabei nur insoweit in die Betrachtung miteinbezogen, insoweit sie dem Ziel der nationalen [gemeint ist die "deutsche", M.H.] Identitätsfindung dienen. Dabei kann unberücksichtigt bleiben, welche Konsequenzen dieses Vorgehen für das Verständnis von Menschen anderer Staaten und Kulturkreise bzw. diese Staaten und Kulturen selbst nach sich zieht."41

Schulbücher anderer Fächer
Rassismen wird mensch in den Lernbüchern aller Fächer finden ... das Alltagsbewußtsein der weißen AutorInnen ist halt rassistisch. Ich möchte noch besonders hinweisen auf Untersuchungen von Büchern der Fächer Biologie42 und Musik43.

Schulbücher und das Bild des Islam
Untersucht wurden zwischen 1979 und 1988 Schulbücher der Fächer Geschichte, Geographie, evangelischer und katholischer Religionsunterricht sowie Lehrpläne. 43 westliche FachwissenschaftlerInnen und -didaktikerInnen sowie zahlreiche MuslimInnen verschieder Rechtsschulen unter der Leitung des Kölner Professors Addoldjavad Falaturi arbeiteten an dem einzigartigen Projekt44 mit. Die Untersuchung zeigt, daß das Thema "Islam" bei weitem nicht immer angemessen und differenziert sowie dem modernen Forschungsstand entsprechend in den Schulbüchern ind Richtlinien behandelt wird ... wie "angemessen und differenziert" es mit der unterrichtspraktischen Umsetzung dieses Themas aussieht, kann mensch nur erahnen.

Was folgt daraus?
Die Holländer Willem Fase und Sjaak Kroon stellen fest: "Was die Inhalte des interkulturellen / antirassistischen Curriculums angeht, ist Vieles noch unklar. In der Diskussion wird von mehreren Seiten darauf hingewiesen, daß das Curriculum nicht als etwas Selbständiges gesehen werden darf. Eine solche Stellungnahme darf andererseits nicht dazu führen, daß die Diskussion über Themenwahl, Lehrmittel oder didaktische Arbeitsformen immer wieder hinausgeschoben wird. Als einen der wichtigsten Beiträge nennen wir hier die entwickelten Screening-Verfahren zur Untersuchung von Lehr- und Lernmittelnauf Ethnozentrismus, Voreingenommenheit, Stereotypisierung, Unterrepräsentanz ethnischer Gruppenund so weiter. Weiter können hier Vorschläge genannt werden zur Aufnahme in das Curriculum von expliziten Kenntnissen über Ethnizität, ethnische Unterschiede, die Geschichte der verschiedenen ethnischen Gruppen und die Wurzeln von Konzepten wie Ethnozentrismus, Vorurteil, Diskriminierung und Rassismus."45

Kriterien zur Erstellung von antirassistischen Curricula und für die Erstellung und Zulassung von antirassistischen Lernbüchern
Erziehung gegen Rassismus und für multikulturelles Zusammenleben ist fach- und altersunabhängig und sollte primär unter dem Aspekt begonnen werden, die Probleme zu bearbeiten, die Angehörige der Mehrheitskultur selbst mit EinwanderInnen haben bzw. die auf der Straße, am Arbeitsplatz, in der Schule beobachten werden oder aus den Medien entnehmen können: es geht um die Thematisierung des eignen Befremdetseins, der eignen Ängste, des eignen Rassismus.
Trotzdem sind Maßgaben und Leitlinien für LehrplanmacherInnen und SchulbuchautorInnen nötig, weil auf diesem Gebiet - zumindest in der Bundesrepublik - noch viel zu tun ist.
1.Lehrpläne und Lernbücher, in denen ethno-/eurozentristische und/oder nationale Perspektiven vorherrschen, müssen sofort aus den Schulen entfernt und neu geschrieben werden bzw. nach den Maßgaben des kulturellen Pluralismus überarbeitet werden.
2.Verharmlosende, diskriminierende und somit rassistische Darstellung z.B. geschichtlicher bzw. gesellschaftlicher Zusammenhänge, Ereignisse, Haltungen herrscht oft auch in den Büchern vor, die Migration aus historisch, gesellschaftlicher und ökonomischer Sicht zu behandeln vorgeben. Es ist also eine äußerst kritische Prüfung notwendig.
3.Die Themen müssen sich an der tatsächlich vorhandenen ethnischen Vielfalt orientieren und sie angemessen wiederspiegeln46.
4.Schulbücher müssen die Deutschkenntnisse von MigrantInnen und Flüchtlingen berücksichtigen, z.B. Glossare in den Muttersprachen, konzeptionell eingebaute Formen der Textentlastung. Zu entwickeln sind bilinguale bzw. multilinguale Schullernbücher wie z.B. das griechisch-deutsch-türkische Lesebuch Kalimerhab47.
5.Es muß den LehrplanmacherInnen gelingen, "interkulturelle Schlüsselsituationen migranter und deutscher Kinder zu identifizieren und zum Bezugspunkt der Entwicklung von Lerninhalten zu machen. Diese Vorgehensweise steht in Korrepondenz zur Pädagogik Paulo Freires. Einer solchen Bestimmung von Schlüsselsituationen gehen Versuche zur Aufklärung der Lebenswelt migranter Kinder und ihrer Familien voraus. Dabei werden Informationen zu Herkunft, Sozialisation und Lebensbedingungen migranter Kinder und ihrer Familien herangezogen, also Situationsrecherchen unternommen"48.
6.Curriculare Einbindung der Zusammenarbeit "mit KulturträgerInnen oder mit Institutionen und Menschen in diesen Institutionen aus anderen Kulturen als der deutschen. ... Das kann zum Beispiel sein, daß man jemanden vorlesen oder Geschichten erzählen läßt, daß Musikinstrumente vorgestellt werden, daß man zusammen kocht, das sind so die üblichen Dinge. Es sollte aber auch sein: Berichte über MigrantInnenschicksale, Ursachen für Migration aus eigenem Erleben, also das, was man im Geschichtsunterricht mit "ZeitzeugInnen" bezeichnet"49.
7.SchülerInnen müssen lernen, Anderssein zu akzeptieren bzw. das Andere anders sein zu lassen.
8.Kulturen fremder Völker sind eigenständige Entwicklungen, die nicht entstanden sind, um der EuropäerIn zu gefallen oder zu mißfallen. Sie dienen den Menschen dazu, sich in ihrer Umwelt zu entfalten. Solche Entwicklungen müssen so dargestellt werden, daß sie die SchülerIn achten und erleben kann50.
9.Die Idee der Geschichtslosigkeit der Länder des Trikont muß überwunden werden. Ihre Geschichte fängt nicht mit der "Entdeckung" an. Der Begriff "Entdeckung" muß gerechterweise mit Eroberung, Unterwerfung, Eindringen, Ausplünderung etc. ersetzt werden.
10.Es reicht nicht, Vorkommnisse bei uns und im Trikont als ungerecht zu empfinden. Die Frage nach den Ursachen und Zusammenhängen soll immer wieder gestellt werden.
11.Ursachen und Wurzeln von Verarmung, Fehlentwicklung und Ausbeutung stehen in einem direkten Zusammenhang mit der wirtschaftlichen und politischen Situation der Industrieländer. Diese Verknüpfungen sollen in Curricula und Lehrmitteln deutlich werden. Dazu können vor allem auch Zeugnisse von Betroffenen des Trikont dienen.
12.Die Versuche der Menschen des Trikont, ihren (eigenen) Weg der Entwicklung selbst zu bestimmen und selbst dafür zu kämpfen soll in den Lehrmitteln weder verschwiegen, noch als Terrorismus abgetan werden.
13.Entwicklung und Entwicklungshilfe darf nicht losgelöst von politischen und wirtschaftlichen Bedingtheiten, als reine - aber wenig glaubhafte - humanitäre Aufgabe dargestellt werden. ... Der Anspruch, daß jene, die Entwicklungshilfe leisten, auch den Weg der Entwicklung festlegen, ist ethnozentristisch.
14.Die Beschäftigung mit fremden Welt- und Menschenbildern muß ein Hinterfragen der eigenen Lebensform zu lassen. (Lernen von anderen.)

Sofortmaßnahmen zur Transformation in eine multikulturelle Schule
Die nur mittelfristig zu verändernde schlechte Situation hinsichtlich der antirassistische Arbeit geradezu verhindernden Curricula und Lernbücher sollte uns aber nicht hindern, vor Ort an unseren Schulen, mit unseren Kollegien inhaltliche, methodische und organisatorische Sofortmaßnahmen51 zu ergreifen52.

Das multikulturelle Schulprofil

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Anmerkungen:

22  Auszug aus einer Diskussionsvorlage für eine pädagogische Konferenz zum Thema "Ausländer(!) an unserer Schule" - die Vorlage wurde nicht diskutiert, weil sie nach Einschätzung der Vorbereitungsgruppe "am Thema vorbei formuliert" worden war. Zurück zum Text.
23  Kontakt und Informationen: Institut f. LehrerInnenfortbildung, Beratungsstelle DaZ / Interkulturelles Lernen, z. Hd. Marita Müller-K. / Gudula Mebus, Hartsprung 23, 22529 Hamburg. Zurück zum Text.
24  Kontakt und Infos: Universität Hamburg, Fachbereich Erziehungswissenschaften, z. Hd. Prof. Ursula Neumann, Von -Melle-Park 8, 20146 Hamburg. Zurück zum Text.
25  Informationen: RAA Dortmund, z. Hd. Helmut Brinkmann, Burgholzstr. 150, 44145 Dortmund. Zurück zum Text.
26  Vergl. Renate Tölle: Interkulturelles Lernen in der Praxis der RAA Dortmund. Dortmund: Eigendruck 1989, S. 8. Zurück zum Text.
27  Vergl.: Sigrid Luchtenberg: Ermöglichen unsere Lehrläne und Lehrbücher Interkulturelles Lernen? In: Interkulturell 3/4/1990, S.146 ff. Zurück zum Text.
28  Hans Göpfert: Ausländerfeindlichkeit durch Unterricht. Konzeptionen und Alternativen für Geschichte, Sozialkunde und Religion. Düsseldorf: Schwann 1985. S. 123. Zurück zum Text.
29  Hanna Kiper: Das ausländische Kind in den Richtlinien zum Sachunterricht in der Grundschule - Versuch einer Bestandsaufnahme. In: Sachunterricht und Mathematik in der Primarstufe 17/1985, S.87-91. Zurück zum Text.
30  Ursula Neumann: Hamburger Richtlinien und Lehrpläne unter dem Aspekt interkultureller Erziehung. In: Deutsch lernen 2/1986, S. 65-67. Zurück zum Text.
31  Annita Kalpaka / Ursula Neumann: Stellungnahme zum Lehrplan für die Gesamtschule. Sekundarstufe I. Politik. Hamburg 1991. Hamburg: Masch. 1992. Zurück zum Text.
32  Vergl. Sigrid Luchtenberg: Ermöglichen unsere Lehrläne und Lehrbücher Interkulturelles Lernen? In: Interkulturell 3/4/1990, S.146 ff. Zurück zum Text.
33  Vergl.: Regina Piontek: (Un)heimliches Lernziel: Rassismus. In: Bildungsarbeit in der Zweitsprache Deutsch 1/1992, S. 13 ff. Zurück zum Text.
34  Mechthild Hauff: Wie berücksichtigen Lesebücher die Anwesenheit von Migranten? Eine Untersuchung für Grund- und Hauptschulen in Nordrhein-Westfalen. Hg. v. Landesinstitut für Schule und Weiterbildung, Curriculumentwicklung in Nordrhein-Westfalen. Soest 1988. - Dies.: Grundschullesebücher und Arbeitsmigration. In: Die Grundschulzeitschrift 37/1990, S.51f. Zurück zum Text.
35  Michael Waldmann: Darstellung von MigrantInnenkindern in Lesebüchern. In: Pädagogik 12/1993, S. 58. - Ders.: Mehmet, Aydin und Adnan finden nicht statt. Zur Darstellung ausländischer Kinder in Lesebüchern der Grundschule. In: Pädextra 4/1994, S. 30 f. Zurück zum Text.
36  Thomas Hoppe: Rassismen in Erdkunde-Lehrbüchern. In: Helmut Essinger / Ali Uçar (Hg.): Erziehung: Interkulturell - politisch - antirassistisch. Von der interkulturellen zur antirassistischen Erziehung. Ein Reader. Felsberg: migro Verlag 1993, S. 137 ff. - Zum selben Thema vergl.: Anke Poenicke: Afrika in Schulbüchern. In: Die Brücke 83/1995, S. 53 ff. - Gisela Fremgen: ... und wenn Du noch schwarz bist. Berichte schwarzer Frauen in der Bundesrepublik. Bremen: Edition CON 1884, S. 56 ff. Zurück zum Text.
37  B. Borries: Zwischen universalhistorischem Anspruch und eurozentrischer Praxis. In: M. Riekenberg (Hg.): Lateinamerika. Geschichtsunterricht, Geschichtslehrbücher, Geschichtsbewußtsein. Frankfurt: Diesterweg 1990, S. 163. - Michael Riekenberg: Interkulturelles Lernen im Geschichtsunterricht. In: Lernen in Deutschland 2/1992, S. 119 ff. Zurück zum Text.
38  Michael Riekenberg: Das Bild Lateinamerikas in deutschen Geschichtslernbüchern. In: Uta George / Mark Arenhövel (Hg.): Lateinamerika: Kontinent vor dem Morgengrauen. Nachdenken über ein schwieriges Verhältnis Lateinamerika und Deutschland.Münster: unrast Verlag 1992, S. 13-26. Zurück zum Text.
39  TürkInnen in deutschen Schulbüchern - Deutsche in türkischen Schulbüchern. Köln: Önel-Verlag 1993, S. 99. Zurück zum Text.
40  Michael Preuß: Rassismus und Kolonialismus - Die Wiederaufstehung des Carl Peters im Geschichtsbuch. In: Helmut Essinger / Ali Uçar (Hg.): Erziehung: Interkulturell - politisch - antirassistisch. Von der interkulturellen zur antirassistischen Erziehung. Ein Reader. Felsberg: migro Verlag 1993, S. 148 ff. Zurück zum Text.
41  Hans Göpfert: AusländerInnenfeindlichkeit durch Unterricht. Düsseldorf: Schwann 1985, S., 123. Zurück zum Text.
42  Detlev Franz: Biologismus von oben. Das Menschenbild in Biologiebüchern. Duisburg: DISS 1993. Zurück zum Text.
43  Olaf Schäfer: Wo "Mann singt, da laß dich nieder? Rassismus, Ethnozentrismus und Sexismus in Unterrichtsmaterialien des Faches Musik. In: Helmut Essinger / Ali Uçar (Hg.): Erziehung: Interkulturell - politisch - antirassistisch. Von der interkulturellen zur antirassistischen Erziehung. Ein Reader. Felsberg: migro Verlag 1993, S. 152 ff. Zurück zum Text.
44  Der Islam in den Schulbüchern der Bundesrepublik Deutschland. Studien zur Schulbuchforschung. Schriftenreihe des Georg-Eckert-Instituts, Bände 46, 47, 53,54, 58, 59, 62. Hrsg. v. Abdoldjavad Falaturi. Braunschweig: Georg-Eckert-Institut 1986-1989. (Bezug: Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung, Celler Str. 3, 38114 Braunschweig.) - In diesen Zusammenhang gehört die Medien-Analyse der Islamischen Wissenschaftlichen Akademie in Köln: Michael Koschinski: Analyse der audiovisuellen Medien zum Thema Islam. Köln: Islamische Wissenschaftliche Akademie 1991. Zurück zum Text.
45  Willem Fase / Sjaak Kroon: Interkultureller Unterricht in den Niederlanden: Einige Tendenzen zum Vergleich. In: Sjaak Kroon u.a. (Hg.):Interkultureller Unterricht. Ansichten und Erfahrungen aus Berlin-West. Veldadvisering Leerplanontwikkeling Moedertaal. Katholieke Universiteit Brabant. Enschede 1989, S. 116. Zurück zum Text.
46  Vergl.: Hansen/Hauff: Curricula-Revision im Hinblick auf Europa. In: M.Heitzer / W.E. Spies (Hg.): LehrerInnen im Europa der 90er Jahre. Bochum 1993, S. 87-101. - U. Neumann (HG.): Sprachenvielfalt im Stadtteil. Ein interkulturelles Projekt. AOL-Reihe: Eine Schule für alle! Bd 1. 2.Aufl. Hamburg: AOL-Verein 1993. - Bezug: Didaktisches Zentrum Hamburg (DZH), Rothenbaumchaussee 11, 20148 Hamburg. Zurück zum Text.
47  Niki Eideneier / Arzu Toker (Hg.): Kalimerhaba. Griechisch-Deutsch-Türkisches Lesebuch. Köln: Romiosini Verlag 1992. Zurück zum Text.
48  Jürgen Zimmer: Die Solidarität in der einen Welt beginnt vor unserer Haustür. Über Erfahrungen mit interkultureller Erziehung. In: Masch.Manuskript für Björn Engholm(Hg.): Die Wiederherstellung der Bildungspolitik. Frankfurt: Eichborn Verlag 1985. - Vergl. auch: Paulo Freire: Pädagogik der Unterdrückten. Bildung als Praxis der Freiheit. Reinbek: Rowohlt 1987, S. 64 ff. - Die praktische Umsetzung dieser Herangehensweise ist beschrieben in: Barbara Puha-Schulz: Wenn ich einsam bin, fühle ich mich acht Grad minus. Kreative Sprachförderung für deutsche und ausländische Kinder. Weinheim/Basel: Beltz 1989. Zurück zum Text.
49  Die Gesamtschule auf dem Weg zur interkulturellen Erziehung. Interview mit Ursula Neumann. In: GGG-Info. Landesverband Hamburg. 1/1989, S. 17. Zurück zum Text.
50  Die Punkte 8-14: Leitgedanken für neue Lehrmittel. In: Unser täglicher Rassismus. Hrsg. v. Erklärung von Bern / Schulstelle 3. Welt. Bern o.J. S. 121.) Zurück zum Text.
51  Die folgenden Punkte sind ein Auszug aus einer Diskussionsvorlage für eine pädagogische Konferenz einer hamburger Schule zu diesem Thema. Zurück zum Text.
52  Projekte, Unterrichtseinheiten, Anrigungen, Tips und Hinweise zum sorfortigen Beginnen in: Manfred Huth (Hg.): Unterricht: antirassistisch/interkulturell. Projekte, Einheiten, Spiele. Erscheint 1997. - Nähere Infos über den Herausgeber. Zurück zum Text.
53  Vergl. dazu den folgenden Beitrag von Christoph-Joachim Schröder. Zurück zum Text.

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