Politik/Sozialkunde

Manfred Huth / Christoph-Joachim Schröder

In: Manfred Huth u.a.(Hg.): Hits für den Unterricht. Bd. 2. Das schnelle Nachschlagewerk für die Fächer
Geschichte und Sozialkunde/Politik. Reinbek: Rowohlt 1989.
S. 121-123.

Der politische/sozialkundliche Unterricht, falls es ihn überhaupt gibt und er nicht von der Erdkunde-, Geschichts- oder BiologielehrerIn erledigt wird, sollte kritisches Bewußtsein vermitteln über die Hintergründe, Ursachen und Interessen, die das verückte System unserer (Welt-)Gesellschaft am Leben halten, weil einige Wenige davon kurzfristig profitieren. So wie uns das Fach "Sozialkunde/Politik" aus den Lehrplänen der Staatsschule und aus den von ihr durch Genehmigungsverfahren zensierten Lernbuchwerken aber entgegentritt, scheint es eher dazu vorgesehen, die entscheidenden Zusammenhänge zu vernebeln und mit der Lehre von der Pluralität der Interessengruppen bzw. der Pluralität der Meinungen die SchülerInnen zu verdummen. Das Verfahren offizieller Unterrichtseinheiten und Lernbücher ist immer gleich: die Lerngegenstände so anordnen, daß die SchülerInnen schließlich in einem Gewirr von Oberflächenerscheinungen und unverbindlichen Ansichten sich verfilzen. Dagegen muß die fortschrittliche KollegIn arbeiten und ist ständig auf der Suche nach anstößigen Materialien, die Grundprobleme und Sachzusammenhänge klar und wahr aufweisen und nicht in einem Ausgewogenheitsgestrüpp verbergen bzw. in staats- und systemloyaler Schmierigkeit indoktrinieren nach dem Motto: "Es ist im Grunde alles gut. Wir müssen nur Vertrauen haben und fleißig arbeiten..."

Bei dieser Suche nach Unterrichtseinheiten und Materialien, die neben dem offiziellen Schulbuchmarkt entstanden sind, möchten wir helfen. Freilich ohne Anspruch, einen Überblick über den gesamten "grauen" Medienmarkt zu geben. Dazu gibt es zu vielfältige Veröffentlichungen und dazu ist im Fach "Sozialkunde/Politik" zu Unterschiedliches zusammengefaßt. Eine thematische Gliederung als Orientierungshilfe gibt Auskunft darüber, welche Probleme wir für wichtig halten. Wie im Fach "Geschichte", dessen Einleitung der PolitiklehrerIn zusätzlich Auskunft über unsere didaktische Position gibt, haben in der folgenden Materialübersicht die Probleme der Einen Welt den größten Stellenwert. Dabei wird allerdings der Entschärfung des Ost-West-Gegensatzes insofern Rechnung getragen, als die noch vor wenigen Jahren so drängende Frage "Frieden" zurücktritt hinter die Themen "Trikont", "Menschenrechte", "Migranten", "Rassismus/Nationalismus/Neofaschismus" und "Umwelt" (Achtung: Zum Problemkomplex "Trikont" wird die LehrerIn ebenso fündig in diesem Band bei "Religion" und "Geschichte"; weitere Materialien zum Süd-Nord-Problem werden in Bd. III beim Fach "Erdkunde" und solche zur Umwelt in Bd. IV. bei den Fächern "Biologie", "Chemie" und "Physik" vorgestellt; die wirtschaftskundlichen Themen werden wir im Fach "Arbeitslehre" des III. Bandes ansprechen!).

Auf zwei Schwerpunkte wollen wir noch hinweisen, die u. E. unabdingbar in den Sozialkundeunterricht gehören:

- "Sexualkunde/AIDS" Dieses Thema betrifft unsere SchülerInnen altersbedingt wie kein anderes und hier ist unmittelbare Orientierungshilfe gefragt. Wir haben besonders Wert auf Materialien gelegt, die zum einen die wichtigen Lebensfragen nicht biologisch-medizinisch umgehen und die zum anderen auch unspezialisierten KollegInnen es ermöglichen, manchmal heikle Gegenstände ungefährdet von Eltern- oder Schulaufsichtsanwürfen zu unterrichten.

- "Feminismus/Sexismus" Wir wünschen uns eine Beschäftigung mit frauenspezifischen Themen eher als durchgängiges Prinzip. Die Fragen nach Gleichberechtigung, nach Emanzipation und das Benennen sexistischer Vorurteile sollte stets präsent sein. Darüberhinaus sind jedoch auch eigenständige Unterrichtseinheiten in den Fächern "Geschichte" (z.B. Hexenverfolgung) und "Sozialkunde/Politik" von Nutzen:

1. Frauengeschichte verstärkt die Motivation der Mädchen für den Geschichtsunterricht.

2. Schülerinnen können durch die historische Distanz Antworten auf die Frage nach einer Alternative zur herkömmlichen Rollenerwartung suchen.

3. Schüler ihrerseits können bei der Beschäftigung mit der traditionellen Frauenrolle und der Auseinandersetzung mit den Mitschülerinnen über ihre männliche Rolle und Änderungsmöglichkeiten nachdenken.

4. Das Benennen aktueller Diskriminierungen und das Hinterfragen der "selbstverständlichen" Gleichberechtigung verdeutlichen die Rollenerwartungen für Mädchen/Jungen und sensibilisieren für aktuelle Rücknahmen feministischer Errungenschaften auf den Gebieten der Arbeitsmarkt- und Familienpolitik.

Aus dem fast unübersehbar gewordenen Fundus der "Frauen-Leben-Rollen-Literatur" haben wir versucht, einige wenige für den Unterrichtsalltag brauchbare auszuwählen. Bekannte "Klassikerinnen" werden nicht erwähnt. Daß die Stärkung der weiblichen Positionen eine vorrangige pädagogische Aufgabe ist, möchten wir mithilfe zweier Zitate unterstreichen, die das heißeste Bezugsmoment zwischen den Geschlechtern - das bis heute oft noch den Charakter des "Gegeneinander" hat - betreffen, die Sexualität (Bezugsquellen s. "Adressen, Tips und Hinweise"):

"Eine wesentliche Rolle für den besseren Schutz der Mädchen vor Sexualstraftaten spielt die sachgerechte Sexualaufklärung." (Gewalt gegen Frauen. Sexueller Mißbrauch von Mädchen. Hrsg. v. d. Bevollmächtigten der Hess. Landesregierung für Frauenangelegenheiten) "Auf den zweiten Blick entdecken wir, daß die Entstehung von Sexualität zugleich als Unterdrückung (!) vorgeführt und gelebt wird und nicht ..., daß Unterdrückung ausschließlich im Verbot des Sexuellen besteht." (Frigga Haug (Hrsg.): Frauenformen 2. Sexualisierung der Körper. Berlin/Hamburg: Argumentverlag 1988, 204 S., 18,50 DM.)

zurück zum Anfang dieser Seite

zurück zur Hedonismus-Startseite

zurück zur  Hits-Startseite